Die Neuansiedlung des Mutterhauses Salem aus Köslin in Minden
Das Mutterhaus Salem hat eine Geschichte, die über 150 Jahre zurück reicht. Mitte des 19. Jahrhunderts nahm der Handel im Hafen von Stettin stetig zu und die Bevölkerung der Stadt wuchs rasant. Um auf die Bedrohung junger Frauen und Kinder im Hafenviertel zu reagieren, erhielt 1868 die damals erst 27 Jahre alte Diakonie-Probeschwester Thekla v. Hünerbein den Auftrag, in einem kleinen Haus des Kommerzienrats Quistorp ein Rettungshaus für verwahrloste, insbesondere elternlose Mädchen einzurichten und aufzubauen. Sie nannte es Salem, das hebräische Wort für Frieden.
Das erste Haus Salem in Stettin
Oberin Thekla v. Hünerbein
Schon bald platzte dieses kleine Refugium aus allen Nähten, und bereits 1869 begann man mit dem Bau des Stifts Salem in Stettin. Es war als Kinderhaus geplant, wurde jedoch bereits kurz vor Fertigstellung 1871 als Lazarett für verwundete Franzosen aus dem deutsch-französischen Krieg gebraucht. Die genesenen Franzosen bedankten sich, indem sie an der Hausinstallation mitarbeiteten, den Garten umgruben und Obstbäume pflanzten, und die Kinder vom Stift Salem verloren jegliche Scheu vor den feindlichen Kriegern.
Im Jahr 1902 wurde Bertha v. Massow neue Oberin der Gemeinschaft.
Im Jahr 1908 forderte der Kösliner Landrat das Haus Salem erstmals auf, seinen Sitz nach Köslin zu verlegen. Diese Verlegung wurde im Kuratorium im Jahr 1912 beschlossen und in der Folge umgesetzt. Die Kösliner Jahre wurden von zwei geschichtsträchtigen Jahreszahlen begrenzt: sie dauerten von 1914 bis 1945.
In Köslin wurden zwei Kinderhäuser und ein Feierabendhaus bezogen. Die Anlage wuchs beständig, es gab einen Schulkindergarten für noch nicht schulpflichtige Kinder, und 1931 wurde darüber hinaus eine Schule für Kinderpflegerinnen und Haushaltsgehilfinnen eröffnet. Es wurde Land dazu gepachtet, um die Versorgung der Gemeinschaft sicher zu stellen.
Die Zeit des Nationalsozialismus war für die Gemeinschaft schwierig. Bereits 1933 hatte die Oberin Bertha v. Massow in einem Schwesternbrief gemahnt: „Was für einen Zeit kommen wird, wissen wir nicht.“ Die Schwestern wurden aufgefordert, vorsichtig zu sein und politische Auseinandersetzungen zu unterlassen. Mit zunehmender Dauer der Diktatur wuchs jedoch eine kritische Haltung unter einigen Schwestern und es kursierten Abschriften der Hirtenbriefe und Predigten des mutigen Bischofs Galen. Als 1943 deutlich wurde, dass der Krieg verloren war und man ein Vorrücken der sowjetischen Armee befürchtete, wurden alle Schwestern mit einer Bescheinigung über die Zugehörigkeit zu Salem ausgestattet sowie mit Anweisungen, wie man sich am Tag X des Zusammenbruchs und der Räumung des Geländes zu verhalten hatte. Man traute den Versicherungen der Nazi-Parteigrößen nicht und suchte eigene Rettungswege.
Anfang März 1945, als russische Panzer schon auf den Straßen Köslins patroullierten, gelingt es, Lazarettzüge zur Evakuierung des Krankenhauses und der Kinderhäuser zu organisieren. Die Schwestern und die Oberin bleiben zunächst in Salem in der Hoffnung, der Krieg möge über sie hinweg rollen und sie könnten danach wieder ihren Dienst tun. Aber diese Hoffnung erfüllte sich nicht.
Die Wochen danach, die Misshandlungen und die Erlebnisse auf der Flucht nach Westen haben über 300 Schwestern in ihren persönlichen Erlebnisberichten festgehalten. Die Flucht zerstreut die Schwestern über Norddeutschland und Dänemark, aber einige hatten kein Glück und wurden nach Osten transportiert. Oberin Bertha v. Massow starb noch vor Kriegsende in Insterburg / Ostpreußen.
Alle Schwestern hatten schon im Januar 1945 die Anweisung erhalten, sich im Falle einer Flucht mit der Geschäftsstelle des Kaiserswerther Verbandes in Berlin in Verbindung zu setzen. Einige Schwestern und der Pastor Dr. Dreyer, die den Patiententransport begleitet hatten, hatten in Oldenburg eine neue Bleibe gefunden. Dr. Dreyer verhandelte unermüdlich mit kirchlichen und städtischen Behörden, um Unterkünfte für Schwestern zu organisieren, die sich nach und nach wieder in Oldenburg sammelten. Bald konnten einige von Ihnen im Schloß Rastede untergebracht werden, wo sie sofort ihren Hilfsdienst wieder aufnahmen.
Im Juni 1946 wurde Schwester Margarethe Ehlert zur neuen Oberin gewählt.
Der Rasteder Pfarrer Dr. Mumm, der die Salemschwestern und Pastor Dr. Dreyer kennengelernt hatte, war seit 1949 als Pfarrer an St. Martini in Minden tätig. In der Pastorenkonferenz erfuhr er, dass es in Minden an Diakonissen mangelte. Er schrieb im Auftrag des Superintendenten Dr. Hahn an Dr. Dreyer in Rastede. Dieser hielt sich nicht damit auf, den Brief zu beantworten, sondern setzte sich sofort in die Bahn nach Minden.
Dann ging alles sehr schnell. Bereits am 1. Juli 1950 kamen 110 Salemschwestern zur Krankenhausarbeit nach Minden. Im Frühjahr 1951 wurde mit den Bauarbeiten für das neue Mutterhaus Salem begonnen, für das die Stadt Minden ein Baugelände am Rand der Stadt, zwischen der Rodenbecker Straße und der Kuhlenstraße, zur Verfügung gestellt hatte. Ein knappes Jahr später war Einzug, und am 1. Februar 1952 versammelte sich die Hausgemeinde zur ersten gemeinsamen Morgenandacht im neuen Domizil.
Das Mutterhaus Salem in Minden und die Auferstehungskirche
Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurde das Gelände ständig erweitert. Bereits 1980 umfasste der Komplex 45.000 qm mit Wohnhäusern für die Schwestern, einem Altenheim, der Kinderheimat und dem Jugendwohnheim. Die Schwestern vom Mutterhaus Salem pflegen immer noch Kontakte in ihre alte Heimat Köslin, sind aber seit langer Zeit in Minden zu Hause und tun ihre segensreiche Arbeit.